Einführung zu Gisela Happe »FLUTEN« Ausstellung im Kunstverein Landshut, 15. März 2024
„Fluten“ lautet der Titel dieser Ausstellung. „Panta rhei“! Dass „Alles fließt“, ist bekannt, auch dass es nicht möglich ist, 2x in denselben Fluss zu steigen. Man denkt bei „Fluten“ häufig an Hochwasserkatastrophen, oder den Plan, gewisse Tunnel zu fluten, oder in übertragenem Sinne an Fluten von Informationen oder Waren.
Gisela Happes Interesse gilt der Natur. Gegenständliche Fotografie und abstrakte Malerei stehen nebeneinander, bilden dennoch eine Einheit und entfachen einen Dialog, wie der Kunsthistoriker Andreas Beumers anmerkt. Die Fotografien haben das Element Wasser zum Thema - Wellen, Gischt, Strömungen, dazwischen ruhiges Kehrwasser, auch Schneeschmelze. Die Motive findet die Künstlerin an Flüssen in Frankreich, Irland, Island, aber auch im Hunsrück und andernorts. Vielleicht wird sie auch hier an der Isar fündig… Die Bildtitel verweisen in der Regel auf die Orte der Fotoaufnahme. „Fontaine des innocents“ ist kein Fluss, sondern ein Brunnen in Paris.
Oft ist die Sicht zum Grund glasklar, Flusskiesel und Algen erscheinen greifbar im kalten Wasser. Manchmal liegt eine Nebelbank über dem Gewässer oder die Spiegelungen des Himmels und des Ufers überlagern die Sicht zum Boden. Schneereste und Eis können reizvolle Strukturen bilden wie zersplittertes Glas. Die Fotoarbeiten sind C-Prints hinter Acrylglas und gewinnen auf diese Weise zusätzlich an Transparenz, Leuchtkraft und Tiefe. Wünscht die Künstlerin eine matte Oberfläche, kaschiert sie das Foto auf die Plexi-Vorderseite.
Gisela Happe greift mit Mitteln der Malerei Farben des Fotos auf, manchmal „zoomt“ sie nur einen einzigen Farbton heraus. Entweder stellt sie diesen als monochrome Fläche der Fotografie zur Seite - oder sie legt Pinselstriche über das Foto, wie beispielsweise gelbgrüne Schlieren. Verbergen macht neugierig, was versteckt sich unter der Farbschicht?
In Einzelfällen können auch andere Materialien wie schimmerndes Kupfer, rosa Samt oder Kork auf Extratafeln zum Einsatz kommen. Die Arbeit „Seltun“ - Seltun liegt übrigens auf Island - scheint durch eine schwere Bronze- oder Schiefertafel ergänzt zu sein, es ist in Wahrheit Gisela Happes geschickter Farbauftrag auf leichtem Plexi…
Meist nimmt Happe mehrere Farbtöne und vor allem Strukturen aus den Fotoarbeiten auf. Lichtreflexe, Schaumkronen, Steine, vom Wind gekräuselte Oberflächen, von Regentropfen verursachte konzentrische Wellenkreise, gebrochene Eisschollen, Wasserpflanzen und Treibgut verwandelt die Künstlerin in ein rhythmisches Farb- und Formenspiel, in ungegenständliche Malerei, angeregt von und als Ergänzung zu den Fotos. Der Betrachter sucht die Korrespondenzen, das macht nicht nur Spaß, sondern das genaue Hinsehen bringt überraschende Erkenntnisse und schärft den Blick.
Es könnte fast eine Anleitung sein für die freie Übertragung einer Ansicht in Malerei oder Zeichnung! Die Fotos sind perfekt, so wie sie sind, die muss man nicht abpinseln. Es geht in der malerischen Umsetzung darum, kreativ eine neue Idee zu entwickeln.
Gisela Happe präsentiert die Arbeiten oft als Diptychen oder Triptychen, je nachdem, wie viele Varianten sie zu einem Motiv präsentieren und komponieren möchte. Jede Tafel könnte auch für sich bestehen, es gibt in ihrem Oeuvre „Solisten“, die sehr gut ohne Partner zurechtkommen. Aber die Bereicherung durch das Wechselspiel, den Dialog von Fotografie und Malerei, sorgt für Spannung. Die Kunsthistorikerin Jutta Saum spricht von einem „malerischen Echo“ auf die Fotoaufnahmen.
Die Gemälde entstehen übrigens auf attraktive Weise: Wie die Fotos sind auch sie auf Plexiglas aufgetragen. Aber manchmal rückseitig in Art von Hinterglasmalerei, manchmal bemalt Happe auch die Vorderseite. Dadurch ergibt sich eine raffinierte Tiefenräumlichkeit und unterschiedliche Wirkung der Farbe: die Malerei hinter der Plexischeibe leuchtet und glänzt, die auf der Vorderseite aufgebrachte Farbe schwebt davor oder darüber und erscheint im Vergleich matt, so wie ein Kieselstein aussehen würde, so lange er aus dem Wasser ragt. Wird er überspült, glänzt er nass. Bei der Arbeit „Hexenweiher“ nimmt Happe die spiegelnde Wasseroberfläche wörtlich und malt nicht auf Plexi, sondern tatsächlich auf Spiegel. Rechts von der Fotoarbeit ergänzen Farbspuren auf Aluminium das Triptychon.
Die Arbeit „Keltenwasser“ stellt eine Ausnahme dar, nicht nur, weil sie fünfteilig ist, sondern weil hier Farben als Kontrast gewählt und nicht aus der fotografischen Vorlage aufgenommen wurden.
Gisela Happe lebt und arbeitet in Düsseldorf. Der Rhein kommt trotzdem nicht vor in dieser Ausstellung. Er ist dort, so kurz vor seiner Mündung in die Nordsee, zu breit und behäbig, um ein sprudelndes Motiv abzugeben. Doch halt, es gibt eine ältere Arbeit von Happe mit dem Titel „Rheingold“! Sie ist in dieser Ausstellung nicht vertreten, vielleicht jedoch im Katalog, der gerade im Druck ist und hoffentlich zur Finissage am Sonntag, 7. April fertig sein wird. Ein Probeexemplar liegt schon jetzt zur Ansicht in der Bibliothek.
Studiert hat Happe Visuelle Kommunikation an der Hochschule Niederrhein /Krefeld, sie hatte später dort auch Lehraufträge. Über ihre Studienreisen und zahlreichen Ausstellungen können Sie sich informieren in der Vita, die beim Eingang aushängt. Ich erwähne nur pars pro toto ein paar Ausstellungsteilnahmen an Orten, die auch in Bayern sehr bekannt sind - wie das Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld; die Mathildenhöhe Darmstadt; DIE GROSSE Kunstausstellung NRW Düsseldorf oder das Frauenmuseum Bonn.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
© Ursula Bolck-Jopp, Vorsitzende Kunstverein Landshut, 15.3.24