Gisela Happe

Katalogtext zur Ausstellung - „davor und dahinter“ von Andreas Beumer M.A.

Gisela Happe - davor und dahinter

Das Interesse der Malerin Gisela Happe gilt den mannigfaltigen Strukturen und Farben in der Natur und deren Transformation in Malerei. Als Bildträger bevorzugt sie transparente Acrylglas-Scheiben, auf die sie die Farben Schicht um Schicht aufbringt, mal mehr, mal weniger durchscheinend; ein Prozess, der Transparenz und Opazität in der Malerei auslotet und der auch das Unvorhersehbare willkommen heißt und integriert. Das Licht, das durch die bemalte Scheibe gebrochen und von der Wand reflektiert wird, intensiviert die Farben und bringt sie zum Leuchten.

Seit einiger Zeit nutzt Gisela Happe ihre ursprünglich als Skizzen angefertigten Natur-Fotografien, um sie als gleichwertige Partner mit ihrer Malerei korrespondieren zu lassen – und einen Dialog zu entfachen, der auf den Betrachter überspringt. Gegenständliche Fotografie und abstrakte Malerei stehen nebeneinander und bilden dennoch eine Einheit.

Das Thema der Fotografie kreist vornehmlich um das Element Wasser in all seine Facetten. Die Transparenz des Mediums Acrylglas unterstreicht die Darstellung des Motivs und erzeugt eine fast realitätsnahe Wiedergabe des Wassers. Die Malerei nimmt diese Wirkung auf und die häufig lasierend aufgetragenen Farben scheinen durch und mischen sich durch die aufgetragenen Schichten. Ein Prozess, der zwar gelenkt, bei dem aber das Unvorhergesehene willkommen ist. Hinzu kommt das Licht, das durch die Acrylglasscheibe gefangen und wieder ausgestrahlt wird, so dass ein irisierender Effekt eintritt, der die Leuchtkraft der Farben intensiviert und eine hohe Luminanz erzeugt.

Da sich beide Medien auf Acrylglas als Trägermaterial manifestieren, fügen sie sich in besonderer Weise sowohl inhaltlich als auch formal zu einer starken, miteinander korrespondierenden Einheit zusammen. Diese Arbeiten bilden seit einiger Zeit eine ganz eigene intermediale Werkgruppe im künstlerischen Schaffen von Gisela Happe.

Für die Ausstellung im [kunstraumno.10] entwickelt Gisela Happe eine spezielle Serie von 33 x 25 cm großen Formaten auf beidseitig bemaltem Acrylglas, die als Fries durch die Galerieräume mäandern. Die Arbeiten spiegeln die Freude an purer Malerei wieder, haben keinerlei Bezug zur Fotografie und sind für Gisela Happe eine Art Experiment. Sie möchte ausloten, wie die Arbeiten untereinander korrespondieren, aber auch, wie sie vom Betrachter wahrgenommen werden.

Die Arbeiten unterscheiden sich durch das Thema, den gewählten Bildaufbau und durch die Wahl der Farben grundsätzlich voneinander. Manche Arbeiten stechen direkt als „Fremdkörper“ heraus, einige sind schnell mit wenigen breiten Pinselstrichen umgesetzt, anderen sieht man an, dass sie immer wieder übermalt wurden.

Alle zusammen bilden dennoch ein harmonisches Miteinander durch die Transparenz, die ihnen eigen ist und durch das Licht, das durch das Material gebrochen wird.

Bei den Arbeiten gibt es kein vorne und hinten. Durch die Materialität des Acrylglases ist die Vorderseite der Arbeiten jeweils glänzend, die Rückseite immer matt. Vorder- und Rückseite stehen in einem ständigen Dialog, da man auf den ersten Blick nur schwer  unterscheiden kann, welcher Farbauftrag vorne und welcher auf der Rückseite zu finden ist. Beide Seiten zusammen bilden die jeweilige Arbeit und sind untrennbar miteinander verbunden.

Dennoch wird jeder Betrachter die Arbeiten anders wahrnehmen. Sie können von der glänzenden Seite eine gänzlich andere Ausstrahlung haben als von der Rückseite, genauso kann es aber auch umgekehrt sein. Selbst ein Oben und Unten muss nicht vorgegeben sein. Dadurch ist jede Arbeit auch als Einzelarbeit wahrnehmbar und bietet dem Betrachter eine Vielzahl immer neuer Betrachtungsmöglichkeiten.

Andreas Beumers M.A.